WEGOFIVE Interview mit Jochen Werne

Wie ein Schiffsdiesel bei der Einführung von KI helfen kann – Reflektion des Interviews mit Jochen Werne, Bankhaus August Lenz

Ein Banker mit einer (KI-) Mission

Wir hatten eine mehrstündige Nachtfahrt mit Raumschotskurs bei 5-6 Bft hinter uns und befanden uns in der Anfahrt auf einen Hafen im Norden Sardiniens. Unsere Crew war etwas geschlaucht und freute sich darauf Land unter den Füßen zu spüren, um das Gefühl der Übelkeit und Benommenheit durch unterschiedlich stark ausgeprägte Anzeichen von Seekrankheit loszuwerden. Wir waren mit unserem Schiff Teil einer „Flotte“ unter Anleitung von Jochen Werne, der als Flotten-Skipper und Skipper des zweiten Schiffes fungierte und diesen Törn organisierte. Über Funk tauschten wir uns über mögliche Landaktivitäten aus.

Daraus entstand eine Gruppe, die mit einem Roller die Insel erkunden wollte. Der Kommentar von unserem Flotten-Skipper kam prompt und durchaus ernst gemeint: „Was soll das? Wir sind Segler und keine Landratten.“ Das war vor 20 Jahren, wahrscheinlich noch mehr, so ganz erinnere ich mich nicht mehr. Und ob das die exakten Worte waren, auch nicht mehr. Sinngemäß passte das aber zu 100%, denn ich dachte damals „was ist das denn für ein unentspannter Typ?“

Der aufmerksame Leser wird sich jetzt fragen, was hat diese Geschichte mit KI zu tun? Ganz einfach: Durch das Gespräch mit Jochen wurde mir sehr bewußt, dass eines immer bleiben wird – der Mensch, seine Persönlichkeit, seine Geschichte, die Bindungen und Erfahrungen untereinander, die jeden Menschen über die Zeit formen und verändern – unabhängig von allen technologischen Entwicklungen, auch wenn sie noch so tiefgreifend und immer schneller werden wie aktuell.

Heute verstehe ich auch die Haltung von Jochen viel besser. Ich selbst skippere mittlerweile seit über 10 Jahren und weiß, dass mich so einige Mitsegler manchmal mit hochgezogenen Augenbrauen ansehen, wenn ich beispielsweise teilweise penetrant auf das umgehende klarieren („aufräumen“) an Bord bestehe. Jochen wiederrum machte mir an unserem Treffen einen deutlich entspannteren Eindruck, als damals. Wobei ich mich frage, ob das wohl trotz oder wegen seiner Extremtouren so ist?

Teil 1: Die Grundlagen im Hinterkopf

Versprochen, am Ende wird sich der Kreis schließen. Eines lässt sich aber bereits festhalten: Veränderung – und darum geht es im Kern, wenn man den durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz angestoßenen Wandel betrachtet – lässt sich durch die eigene Haltung, Ziele, Durchhaltevermögen und Reflektion nicht nur meistern, sondern aktiv gestalten.

Daher beginnen wir unser Gespräch mit einem Rückblick auf die letzten 10 Jahre – eine gute Methode, um sich in turbulenten Zeiten über seinen Standort bewußt zu werden und zu reflektieren welche Herausforderungen man erlebt und gemeistert hat.

Dabei wird auch gleich Jochen’s Faszination für technologische Entwicklungen und Veränderung deutlich. Diese Begeisterung für Veränderung ist eine Typsache. Es gibt Menschen, denen eher Stabilität und Sicherheit wichtig sind und die schon bei sich anbahnenden Veränderungen Emotionen wie Unsicherheit, Angst und Zweifel empfinden. Menschen, die dieses Bedürfnis nicht ausgeprägt haben, empfinden Stabilität eventuell als Stagnation, bremsend oder einengend und haben das Gefühl für die Zukunft nicht gewappnet zu sein. Wenn sich beide „Seiten“ auf die Sichtweisen des Anderen einlassen und eigene Impulse überwinden, kann ein gesunder, angemessener Fortschritt stattfinden, der von allen getragen wird.

Dazu passt der Vergleich der technologischen Entwicklung in der Seefahrt der letzten Jahrzehnte, den Jochen hergestellt hat. Er ist eine sehr gute Analogie und ein Ausblick für eine Zeit, in der wir unseren Alltag vermutlich zu einem Großteil mit digitalen Assistenten und Algorithmen steuern werden. Heute ist es selbst als Freizeitsegler problemlos möglich mit einem handelsüblichen Tablet und der entsprechenden App von Frankreich nach Korsika zu segeln . Was aber, wenn man sich zu sehr oder ausschliesslich auf die Technologie verlässt? Dann ist man selbst ganz schnell verlassen. Ich erinnere mich noch an die Anfänge der Navigationssysteme und die regelmäßigen Berichte über Autos, deren Fahrt in Flüssen endeten, weil das System fälschlicherweise Fährverbindungen als Strassen einordnete und die Fahrer sich ausschließlich auf die Ansagen des Navis verließen.

Heisst, auch wenn man sich durch vermeintlich noch so „intelligente“ Technologien unterstützen lässt, sollte man immer „ein Basisverständnis dessen was wir da anwenden mitbringen“, um Fehlentscheidungen durch die Technologie oder gar deren Ausfall kompensieren zu können. Und das Erreichen wir, in dem wir uns bewusst werden über die Erfahrungen, die wir machen und indem wir die Wahrnehmung für diese Grenzen der Technologie schärfen.

Teil 2: Das neue Jetzt – Jeder kann etwas bewegen

Auch in dem zweiten Teil unseres Interviews gehen wir nicht direkt auf die technischen Aspekte der Einführung von künstlicher Intelligenz ein. Ausgehend von der Frage „Wie bekommst Du das alles unter einen Hut?“ bekommen wir einen Blick auf die persönlichen Erkenntnisse und Sichtweisen von Jochen und darauf wie jeder Einzelne mit einer entsprechenden #Haltung der zunehmenden #Autonomisierung und dem Wandel der #Arbeitswelt und der #Gesellschaft durch #Algorithmen begegnen kann:

  1. Leidenschaft: „Wenn wir für etwas Leidenschaft entwickeln, dann funktioniert das.“ Ich glaube dieser Aussage muss man nichts mehr hinzufügen. Man lässt sich durch die Hektik des Alltags oder anderen gut gemeinten Ratschlägen nur teilweise davon abbringen. Letztendlich bedeutet für seine Leidenschaft(en) einzustehen auch Verantwortung für sich und andere übernehmen.
  2. Bewußtsein: „Das fairste in der Welt ist Zeit. Zeit hat jeder 24h, egal wer er ist. Man wird bewußter was man macht.“ Auch hier denkt man erstmal „banal“, das ist nun echt nichts Neues! Wenn man sich selbst aber ehrlich die Frage stellt, sind wir uns wirklich bewußt darüber, womit wir unsere Zeit verbringen?
  3. Horizont: „Was macht einem so richtig Spaß? [… ] Man hat die Chance in die Richtung zu gehen. [… ] Wie weit ich es treibe, hängt an meinem Horizont. „ Diese Aussage kann jetzt schon kniffliger werden. Zu erkennen und sich selbst einzugestehen, dass man eventuell nicht an seinen Horizont geht oder sogar seine Komfortzone verlässt, um seinen Horizont zu erweitern, erfordert schon ein gewisses Maß an Reflektion, Mut und Kritikfähigkeit.
  4. DasNeueJetzt: „Wenn ich etwas geschafft habe, dann ist das plötzlich das neue Jetzt. Und das ist toll!“ Kompakter könnte man nicht auf den Punkt bringen, worum es nach wie vor geht: Bestimme Deinen Standort und schaue nach vorne. Neu ist das nämlich nicht. Schon der griechische Philosoph Heraklit hat schon vor 2000 Jahren diese Beobachtungen gemacht und unter den Maximen gnoti seauton (erkenne dich selbst) und panta rhei (Alles fliest) festgehalten.
  5. Europa: Jetzt wird es politisch, oder passender, gesellschaftlich, denn Technologie und Gesellschaft bedingen einander. Das Statement sitzt auf jeden Fall und für alle, denen immernoch nicht bewußt ist was auf dem Spiel steht: „Wenn man gute Leute an einen Tisch setzt und diskutieren lässt, ist allein das eine friedenserhaltende Maßnahme. Europa ist nicht perfekt wie wir es aufgesetzt haben, aber vergessen wir nicht, dass wir über 70 Jahre Frieden in Europa haben.“
  6. Seefahrt: „Auf See stehen wir zusammen, egal welche Nation wir haben. Wenn wir in Seenot geraten, stehen wir zusammen, selbst in Kriegszeiten war das so.“ Zusammenhalt und Menschlichkeit würde uns grundsätzlich gut stehen, nicht nur auf See…
  7. Bewegen: „Das Thema ‚people’s diplomacy‘. Wir alle können etwas bewegen. Niemand darf sagen, ich zähle nicht.“ Mit dem globalen Aufkommen der Social Media Instrumente (Foren, Blogs, soziale Netzwerke, usw – ja, es gibt auch ein Leben neben Facebook) hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden – weg von einer 1:n hin zu einer n:n Kommunikation, in der jeder zum Sender von Botschaften an die Masse werden kann. Übrigens Parallelen, die vor 100 Jahren schon einmal stattgefunden haben und von Edward Bernays zu dieser Zeit in seinem Buch „Propaganda“ festgehalten wurden: Demokratisierung der Massen – Aktuell scheint allerdings noch nicht ausgemacht, ob eine „Demokratisierung der Massen“ durch die Möglichkeiten der Social Media stattfindet oder doch wie in alten Zeiten die „bewußte und zielgerichtete Manipulation“ die Oberhand hat.

Bei Jochen hat man auf jeden Fall den Eindruck, dass er diese Zusammenhänge wirklich druchdrungen und erfahren hat. Wenn man schon überlegen muss, wann man welches Land und welchen Regierungschef in welcher Reihenfolge durch seine #ngo #mission gesehen hat, hat man vermutlich vorher auch einige Menschen bewegt…

Aber auch für #business #leadership #culture & #transformation eine wertvolle Anregung wie man an neue #geschäftsmodelle und vermeintlich unterschiedliche Themen mit #pupose und #mission verbinden kann.

Teil 3: Transformation ist ein dauerhafter Prozess

In Teil 3 unseres Interviews geht es um die Ausgangsfrage welche Eigenschaften uns helfen können, nicht nur „das Digitale“ zu sehen, sondern um vor allem die dringend benötigten Transformationsprozesse, also das wirkliche und wahrhaftige Hinterfragen unserer Denkweisen, zu gestalten.

Ein grosser Teil der Energie in Unternehmen wird in den letzten Jahren für die Digitalisierung von Prozessen und die dafür notwendige und aufwendige Modernisierung der technischen Infrastruktur benötigt. Das ist einerseits nachvollziehbar, wenn man teilweise über Jahrzehnte gewachsene Geschäftsmodelle und auf Effizienz getrimmte Organisationen in das neue Zeitalter führen möchte. Das Problem ist nur, dass sich die eigentliche Transformation nicht auf der Ebene der Technik abspielt, sondern in den Köpfen der Menschen – den Kunden, Mitarbeitern und Führungskräften. Das gewachsene Bedürfnis nach Individualität und Selbstbestimmung bringt neue Geschäftsmodelle hervor und verlangt nach einer authentischen Kommunikation mit den Konsumenten. Der Anspruch an Führung erfordert mehr Feingefühl, Empathie und nach der Fähigkeit unterschiedliche Stärken der Mitarbeiter in den Teams zu integrieren und Verantwortung wahrhaftig abzugeben, um der steigenden Veränderungsgeschwindigkeit und dem Innovationsdruck standzuhalten.

Das Bewußtsein für diese Zusammenhänge wächst zwar aktuell, allerdings fehlt oft noch das Verständnis darüber was Transformation wirklich bedeutet – das eigene Denken zu hinterfragen, eigene Entwicklungsprozesse anzustossen und Unsicherheiten auszuhalten.

Für Jochen lautet daher die erste wichtige Eigenschaft, um den Wandel zu bestehen: „Es ist eine Führungsfrage. Wenn Du als Führungskraft nicht neugierig bist, hast Du ein Problem. Dann wirst Du die Veränderungen nicht überstehen – was der Begriff Transformation ja schon sagt.“ Oder noch deutlicher auf den Punkt gebracht: „Wenn ich stehen bleibe, gehe ich zurück.“

Normalerweise denkt man bei Führung sofort an Unternehmen, Hierarchien, Chefs, die Positionen und Rollen in den Organisationen. Hier würde ich den Schirm etwas breiter aufspannen und behaupten, es geht hier im Grunde um die immer wichtiger werdende Selbst-Führung. Heisst, gerade in einer Zeit des Umbruchs ist es umso wichtiger Verantwortung für sich zu übernehmen, selbst herauszuarbeiten was einem liegt, was einen stresst, Entscheidungen zu treffen, auch mal Nein sagen und dadurch die Rahmenbedingungen für sein eigenes Leben zu gestalten.

Jetzt gibt es ja Menschen, die finden es herrlich jeden Tag Entscheidungen zu treffen, suchen oft unbewußt täglich nach Situationen, um das auszuleben. Das ist auch gut so. Jetzt gibt es aber auch Menschen denen die Luft wegbleibt, wenn sie das Wort Entscheidung nur hören. Für beide Seiten gilt dabei das Gleiche: Das Entscheidende an Entscheidungen ist doch, dass sie nicht impulsiv, gar im Affekt getroffen werden müssen, man sich vorher auch gerne mit anderen austauschen kann und man sich auch in Schritten nähern kann.

Dazu passt auch das nächste Statement von Jochen: „Heute, nach der Industrialisierung, ist der entscheidende Faktor der Mensch. Zum Einen weil ich ihn brauche, um die Transformation durchzuführen und zum anderen als Kunde – wenn ich den nicht erreiche, kann ich transformieren wie ich will. Das wird nicht funktionieren“.

Neben den Faktoren #Digital und #Human führt Jochen noch die Bedeutung der #Kultur auf, die es in Transformationsprozessen zu berücksichtigen gilt. „Das wird eine Zeit dauern und ich muss auch überlegen in welchen Schritten ich etwas einführe.“ Dieses Wissen scheint mir heute bei den meisten vorhanden zu sein. Interessanterweise kann man dennoch oft beobachten wie Kulturwandel „erarbeitet“, „kommuniziert“ und gerne auch „unterstützt“ von penibel vorgegebenen Methoden „eingeführt“ wird. Bin mir nicht sicher, ob das der zielführende Weg ist, Menschen nachhaltig und intrinsisch zu einem Umdenken und – Handeln zu bewegen…

Um es kurz zu machen: „Transformation ist kein Projekt, sondern ein dauerhafter Prozess. Gewöhnen wir uns dran“

Teil 4: Veränderungen verstehen und bestehen

In dem letzten Teil unseres Interviews wird ausgerechnet der Kühlkreislauf eines Schiffsdiesels zu einem Bild dafür wie man mit Veränderungen umgehen kann. Aber eins nach dem anderen.

Zu Beginn geht es etwas unter, aber auf die Frage „weshalb nutzen Unternehmen KI noch nicht oder sind noch nicht auf dem Weg?“ antwortet Jochen: „Wir kommen da von einem Top-Down-Approach„, verbunden mit der häufig simplifizierten Aufforderung „Nutzt künstliche Intelligenz!„. Das wird so nicht funktionieren. Was er in der Folge anhand der ‚Gartner‘ Hype Curve‘ (1) und dem ‚KI-Winter‘ ausführt, beschreibt den oft zu beobachtenden Ablauf: Zunächst werden die Möglichkeiten von neuen Technologien in kleinen Experten-Zirkeln diskutiert – von vielen noch als „Freaks“ abgestempelt. Nach und nach wird die Gruppe an Menschen, die darüber reden immer größer, bis es zu einem Hype kommt. In dieser Phase übersteigt die Erwartungshaltung an diese Technologien das aktuell mögliche Maß oft bei Weitem. Danach folgt das Tal der Tränen, in dem alle frustriert sind, dass all die Möglichkeiten noch gar nicht realisierbar sind, Forschung und Investitionen werden in der Konsequenz zurückgefahren.

Im Falle der KI führte dieses Ernüchterung bereits in der 70/80er Jahren zu einem „KI Winter“. Interessanterweise lag das auch mit daran, dass man sich zu früh (1969!) auf eine, aus damaliger Sicht „logischere“, Methode der regelbasierten, „klassischen“ KI fokussierte. Nach anfänglichen Erfolgen stellte man einige Jahre später aber fest, dass diese Methode sehr aufwendig ist, da alle „Regeln“ programmiert werden müssen – und eben nicht in der Lage waren selbst zu lernen. In dieser Zeit wurde aber auch mit der „Backpropagation“ ein Verfahren entwickelt, das 16 Jahre später half ein neurales Netz zu schaffen, das lernte Eigenschaften von Bildern schneller zu erkennen. Im Rückblick war dieses Verfahren der Durchbruch, damit in der Folge durch weitere Experten die tiefen neuronalen Netze („Deep neural networks“) mit ihren „Hidden Layers“ entstehen konnten. Erst Jahrzehnte später wiederum standen ausreichend Rechnerkapazitäten und Daten zur Verfügung, damit diese Technologien begannen ihre Wirkung zu erzielen. (2)

Bei der #Digitalisierung, dazu zählen wir mal die Zeit um die 90er-00er, waren wir in Deutschland noch ganz gut unterwegs. Ich erinnere mich, dass OTTO 1997 als weltweit erster und einziger Versandhändler die Bestellung von mehreren tausend Artikeln über die erst 2 Jahre vorher Live gegangene www.otto.de ermöglicht hatte. Die anschließende Phase der #DigitalenTransformation, in der es darum ging und geht in neuen Paradigmen zu denken, sich von alten Mustern zu lösen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, haben wir verschlafen, laufen hinterher (3) oder haben uns aufgrund alter Hierarchiemuster selbst im Weg gestanden. Wobei es mittlerweile natürlich auch tolle Beispiele gibt. Die Deutsche Bahn geht mit der Tochter DB Systel hier einen mutigen und konsequenten Schritt, weil sie nicht nur „Agile Methoden“ einführt, sondern auch die Organisation daran anpasst. (4)

Focus on money and we will make money. Focus on impact and we will make an impact. (Simon Sinek)

Ein weiterer gravierender Paradigmenwechsel betrifft die Rolle des #Geldes: Was wurde über Amazon noch bis vor wenigen Jahren geurteilt, dass das Unternehmen ja keine Gewinne mache und nur Geld verbrenne. Simon Sinek hat dazu eine sehr anschauliche Analogie: Geld ist wie Treibstoff – wir brauchen es, um in unseren Autos von A nach B zu fahren. Sprit alleine bringt uns aber nicht weiter. Geld alleine war vielleicht zu Gordon Gekko’s („Gier ist gut!“) Zeiten das Ziel unternehmerischen Handelns, heute geht es darum #Impact zu erzeugen – und dafür ist natürlich wirtschaftliches Handeln und Kapital notwendig, aber eben genau in dieser Reihenfolge. Wenn ich nicht weiß, welchen Impact ich eigentlich erzeugen möchte, bringt das einen langfristig auch nicht weiter. (5)

Bei all diesen Erkenntnissen stehen wir, wenn wir Glück haben, heute in Deutschland. Wären wir in Deutschland oder Europa für uns alleine, wäre das auch nicht so schlimm, wenn man sich für den nächsten Entwicklungsschritt – der konkreten Anwendung dieses Mindset – ausreichend Zeit nimmt, um alle denkbaren Pros und Cons zu diskutieren, Business Cases zu rechnen usw. Das Problem ist nur, dass wir im globalen Wettbewerb mit Amerika und China stehen, die schon längst in der nächsten Phase, der #Autonomisierung aktiv sind und bereits im großen Stile in der Anwendung haben. In diesen Goldgräberzeiten kommt es darauf an, frühzeitig aus Innovationen zu lernen.

Man muss sich das mal vor Augen führen: SAP ist das einzige europäische Unternehmen, das als #57 im internationalen Vergleich gerade noch in der Liga der globalen digitalen Giganten mitspielen kann. (6) Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass SAP mit Hochdruck die Überführung der eigenen Unternehmenssoftware als Cloud-Lösung vorantreibt und sich für eine Strategie entschieden hat, die bereits etablierten Cloud-Anbieter AWS, Microsoft und Google zu umarmen und sich mit den eigenen Angeboten nicht gegen sie zu stellen. (7) Denn dafür sind diese Anbieter schon zu weit davon enteilt und arbeiten schon fleißig an der Umsetzung der nächsten Stufe – der Integration von AI Services in ihre Cloud-Produkte.

Da kann man auch verstehen, dass sich SAP öffentlich mit einem umfangreichen Forderungskatalog (8) an die Bundesregierung wendet. Auch wenn sie das natürlich nicht selbstlos machen und die Auflistung auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit hat, geben die dort genannten Handlungsfelder dennoch einen guten Eindruck über den Umfang des Wandels, in dem wir uns befinden:

1. Deutschlands Bildungswesen digitalisieren
2. Künstliche Intelligenz als Wachstumstreiber fördern
3. Rahmenbedingungen für Start-ups verbessern
4. Gigabit-Infrastruktur und digitale Testfelder ausbauen
5. Die DSGVO innovationsfreundlich ausgestalten
6. Technologische Potenziale für Datenpolitik im Gesundheitssektor nutzen
7. Überregulierung von digitalen Plattformen vermeiden
8. Die öffentliche Verwaltung digitalisieren
9. Das Unternehmenssteuerrecht wettbewerbsfähiger gestalten
10. Free Flow of Data fördern
11. Exportkontrollstandards international abstimmen

Der Druck auf die Politik wächst gefühlt von Woche zu Woche. Wäre doch spannend, wenn demnächst eine Greta Thunberg und eine #fridaysforfuture Bewegung von Unternehmern ins Leben gerufen wird, um bei der Digitalisierung in Deutschland Gas zu geben.

Jetzt aber zurück zu unserem Schiffsdiesel. Die Frage an Jochen war „Was kann einem als Segler helfen die Veränderungen in der digitalen Welt zu bestehen?

1. „Ich kann immer auf etwas zurückgreifen, das bin ich und ich kann denken.

Ausgangspunkt seiner Ausführung ist ein Bild, das es nach dieser Überzeugung jedem Menschen ermöglicht sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und gestalten zu können. Was sich für manche vielleicht philosophisch und wenig praxisnah anhört, ist in der Praxis, wenn wir über Veränderungsprozesse sprechen, allerdings sehr relevant und äußert sich unter anderem in unterschiedlichen Denk- und Handlungslogiken. Nach Carol Dweck unterscheiden sich Menschen beispielsweise in „Growth Mindset“ und „Fixed Mindset“. (9) Während Erstere davon überzeugt sind, dass man sich persönlich weiterentwickeln kann und danach streben zu wachsen, gehen Letztere eher von einem statischen Selbstbild aus und streben tendenziell eher nach Stabilität und meiden es an persönliche Grenzen zu gehen. Die Unterschiede dieser Pole äußern sich dann auch in der Gefühlswelt, wenn es um Veränderungen, Herausforderungen und Kritik geht – sehr gut beschrieben und zusammengefasst von Svenja Hofert. (10)

2. „Keine Angst zu haben vor den Dingen und sie angehen.

Als Beispiel beschreibt Jochen eine Situation, die er auf einem Segelschiff im englischen Kanal erlebt hatte, als plötzlich der Motor ausfiel und das Schiff drohte durch starke Strömung an der Küste von Guernsey aufzulaufen. Im Angesicht einer im schlimmsten Fall für das eigene Leben bedrohlichen Situation und der Tatsache, dass weder er noch ein Crewmitglied sich jemals mit dem Kühlkreislauf eines Schiffsdiesels beschäftigt haben, haben sie auf sich vertraut, den Aufbau des Kühlkreislaufes analysiert und sind Schritt für Schritt der Ursache des Problems nachgegangen. Wenn wir uns diese Einstellung aneignen, können wir auch mit den für viele von uns neuen Technologien vielleicht entspannter umgehen.

3. „Dass man nicht übermütig wird, hilft Respekt, vor den Menschen, aber auch vor der Technologie.

Führen wir uns den Begriff #Respekt zunächst einmal näher vor Augen. Er beschreibt eine „Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung gegenüber einer anderen Person oder einer Institution.“ (11) Und nun sollen wir Respekt vor einer Technologie haben? Warum eigentlich nicht? Gerade bei komplexen Systemen ist Aufmerksamkeit ein elementarer Faktor, um das volle Potential zu nutzen und auch korrekt anzuwenden.In seiner Steigerung kann Respekt allerdings auch zu Ehrfurcht oder gar Angst führen, was wiederum der angestrebten Akzeptanz von Technologien entgegen steht und heftige Emotionen auslösen kann. Hier ist also gerade bei der Einführung von neuen Technologien Fingerspitzengefühl und Empathie gefragt. Frühes Einbinden aller potentiell beteiligten Personen, ausreichend Raum für Fragen und Diskussionen, ein stufenweises Vorgehen und begleitende Trainings sind daher sinnvolle Maßnahmen.

4. „Man sollte etwas Erfahrung haben.
Dieser Punkt ist auch bezogen auf KI Projekte nicht zu unterschätzen, wenn man eine hohe Akzeptanz bei den MitarbeiternInnen erreichen möchte. Gerade in heterogenen Organisationen kann es sinnvoll sein nicht gleich das gesamte Potential von beispielsweise KI-Assistenten am Anfang einzuführen oder freizuschalten. Den Menschen Zeit zu geben, eigene Erfahrungen in der Anwendung zu sammeln ist ein wichtiger Baustein, um Sicherheit und Lust auf Neues zu schaffen.

Hier schließt sich nun der Kreis zu der eingangs beschriebenen Geschichte, denn die gemeinsame Leidenschaft „Segeln“ ist am Ende bei uns durchgekommen und wir konnten uns über die Analogie des Segelns einige Impulse für den Umgang mit neuen Technologien holen. Vielleicht regt es Dich dazu an, mal über den Tellerrand hinaus zu schauen und Vergleiche zu eigenen Hobbies und Leidenschaften zu ziehen. Erfahrungsgemäß verankern sich solche Bilder viel eher und können helfen Veränderungen zu gestalten. Wir freuen uns über jeden Gedanken und Austausch.

Verweise:
(1) https://www.gartner.com/en/research/methodologies/gartner-hype-cycle
(2) https://www.zeit.de/digital/internet/2016-08/kuenstliche-intelligenz-geschichte-neuronale-netze-deep-learning
(3) https://www.cio.de/a/digitalisierung-ist-keine-digitale-transformation,3546992
(4) https://www.zukunftderarbeit.de/2017/07/05/db-systel-ein-unternehmen-baut-sich-um/
(5) https://youtu.be/HiVI9_J40SU
(6) https://www.welt.de/wirtschaft/article181475202/Regierung-Kommission-soll-Plaene-fuer-Digitalwirtschaft-vorlegen.html
(7) https://www.businessinsider.de/erneut-hat-ein-sap-manager-gekuendigt-weil-bill-mcdermott-eine-umstrittene-cloud-strategie-verfolgt-2019-4
(8) https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/was-sich-sap-von-der-bundesregierung-wuenscht-elf-forderungen-fuer-ein-digitaleres-deutschland/24535794.html
(9) https://fs.blog/2015/03/carol-dweck-mindset/
(10) https://teamworks-gmbh.de/fixed-growth-und-false-growth-mindset-sind-wir-nicht-alle-ein-wenig-mixed/
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Respekt

Über Jochen Werne

Jochen Werne ist hauptberuflich Director & Authorized Officer für das Bankhaus August Lenz & Co. AG der Mediolanum Banking Group und verantwortet dort die Bereiche Business Development, Marketing, Product Management, Treasury & B2B Payment Services. Darüberhinaus ist er am Aufbau gemeinnütziger Organisationen beteiligt und Mitglied der Plattform Lernende Systeme des Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Über die Location

Ganz herzlichen Dank an das coast by east Hamburg in der Hafencity Hamburg für die Genehmigung hier filmen zu dürfen. Eine sehr zu empfehlende Location mit zuvorkommender Bedienung, außergewöhnlicher Speisekarte und guten Drinks. Apropos, die Hintergrundgeräusche geben einem auch gleich das Gefühl direkt bei uns zu sitzen und wir entlocken einem Münchner noch eine interessante Aussage über #Hamburg 😉

Team WEGOFIVE
team@wegofive.net
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