15 Feb Wie neue Technologie Prozesse und Organisationen verändern (müssen)!
Technologien bestimmen Abläufe und Organisationen. Meistens denken wir ja, es sei anders herum – oder zumindest reden wir uns das so ein. Nach dem Motto: Eine neue Technologie soll die Abläufe optimieren, die Kosten senken und so die Marge sichern. Alles andere soll so bleiben, wie es ist. Aber das ist eben nicht der Fall. Verschiedene Studien zeigen den Effekt, dass Unternehmen digitale Technologien einsetzen, um letztlich Entscheidungsbefugnisse Anreizsysteme, Informationsflüsse, Einstellungsverfahren und andere Aspekte ihrer Management- und Organisationsprozesse umzugestalten. Dies bedeutet auch, dass Unternehmen im Zuge der Einführung von oder Umstellung auf neue Technologien nicht nur ganz erheblich ihre Produktivität steigern, sondern dass auch gleichzeitig der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern steigt und der Bedarf an nicht qualifizierten Mitarbeitern sinkt. „Qualifiziert“ bezieht sich hier auf die allgemeine Qualifikation der Mitarbeiter in Bezug auf Fachwissen, Selbständigkeit, Kreativität und ökonomisches Denken, wie auch auf das Vermögen, speziell mit den neuen Technologien umzugehen. Das ist auch in Bezug auf „Künstliche Intelligenz“ der Fall. Je mehr diese Technologien Einzug in Unternehmen halten, desto deutlicher werden wir die eben beschriebenen Effekte und Entwicklungen sehen.
Generell kann grob konstatiert werden, dass für jeden Dollar oder Euro, der in neue digitale Technologien gesteckt wird, noch zehn weitere Dollar oder Euro in der Folge ergänzend in „Organisationskapital“ gesteckt werden oder in Weiterbildung, Neueinstellungen oder die Umgestaltung von Geschäftsprozessen. Durch die Umstrukturierungen fallen oft eine Menge an Routinearbeiten weg. Was bleibt sind Aufgaben, die ungleich mehr Urteilsvermögen, Kompetenz und entsprechende Vorbildung erfordern.
Die Unternehmen, die am meisten in neue digitale Technologien investieren, nehmen in der Regel auch die größten organisatorischen Veränderungen vor, gewöhnlich mit bis zu sieben Jahren Vorlauf bis zur Realisierung der vollständigen Leistungssteigerung. In solchen Unternehmen steigt auch die Nachfrage nah qualifizierten Arbeitskräften am stärksten. Der zeitliche Abstand kommt dadurch zustande, das Vorgesetzte wie Mitarbeiter erst einmal neue Einsatzmöglichkeiten für die neuen Technologien finden müssen. Denn meistens stecken in einer Technologie, die für einen bestimmten Zweck angeschafft wird, mittel und langfristig noch viele andere Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Kombinationen mit anderen Technologien oder Maschinen, durch die Übertragung auf andere Prozesse, durch das Übernehmen von Anwendungen aus anderen Branchen usw. usw. Computer wurden einstmals angeschafft, um Rechenoperationen zu automatisieren. Für was werden Computer aber heute alles genutzt?! Das Internet wurde einstmals implementiert, um elektronische Post zu verschicken. Für was wird das Netze heute alles genutzt?! Auch bei Künstlicher Intelligenz gilt: Die späteren Anwendungen in Unternehmen sind riesig, im Vergleich zu den beschränkten Anwendungen, die wir heute nutzen. Und es wird – wie oben beschrieben – ebenfalls riesige Auswirkungen auf die Organisation von Unternehmen haben und den Bedarf an entsprechend qualifizierten Mitarbeitern steigern. In Unternehmen geht es bei der Einführung neuer Technologien also nicht darum, die bestehenden Abläufe durch Technik zu optimieren, also sozusagen die eingelaufenen Pfade lediglich neu zu pflastern, um es einfacher und bequemer zu haben. Es geht um Überlegungen, wie sich ein Unternehmen (unter Umständen) von Grund auf umgestalten ließe, um neue Technologien richtig zu nutzen und das volle Potenzial der Leistungssteigerung zu heben. Kreativität und der Umbau von Organisationen entscheiden über den Erfolg von Investitionen in digitale Technologien.
Die beste Methode zum Einsatz neuer Technologien ist also nicht, einfach für menschliche Arbeit künftig eine Maschine oder einen Algorithmus einzusetzen, sondern die Prozesse umzustrukturieren. Das bedeutet, dass manche Mitarbeiter nicht mehr an den Stellen gebraucht werden, an denen sie bisher gearbeitet haben. Gleichzeitig entsteht aber Bedarf im Unternehmen an anderen Stellen. Wahrscheinlich an Stellen in den neuen Prozessen und der neuen Organisation und mit neuen Kompetenzprofilen, die es so vorher gar nicht gegeben hat. Aus diesen Gründen dauert es gewöhnlich, bis solche Veränderungen nach ihrer Erfindung auch wirklich umgesetzt und neue Technologien eingeführt werden. Gleichzeitig steigt aber die Geschwindigkeit im externen Wettbewerb und auch in den internen Prozessen eben durch diese neuen Technologien. Das erfordert gerade von Führungskräften angepasste und anspruchsvollere Qualifikationen und Qualitäten. Es geht um technisches (Grund-)Verständnis der neuen Möglichkeiten und Funktionsweisen der „Künstlichen Intelligenz“, es geht um authentische und glaubwürdige Führung in den beschriebenen notwendigen Veränderungsprozessen – übrigens eine exklusiv menschliche Qualität, die keine Maschine leisten kann – und es geht um die Förderung und Entwicklung der eigenen Mitarbeiter in und mit der Organisation.
Verwendete Literatur:
T. F. Bresnahan, E. Brynjolfson, L.M. Hitt: Information Technology, Workplace Organization and the demand for skilled labour: Firm level Evidence, in: Quarterly Journal of Economics 117, S. 339-376; E. Brynjolfson; L.M. Hitt, S. Yang: Intangible Assets: Computer and organizational capital, Brookings Papers on economic activity, 2002, S.137-198
D. Fitoussi, L. Hitt, E. Brynjolfson: The IT Iceberg: Measuring the tangible and intangible computing assets, Working Paper 2004
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